Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat sich für die Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahres für alle Rentner ausgesprochen. In einem Interview mit dem Magazin „Spiegel“ betonte er, dass ein solcher Schritt sowohl der Bundeswehr als auch dem sozialen Sicherungssystem zugutekommen könnte. Fratzscher bezeichnete seinen Vorschlag als „neuen Generationenvertrag“ und schlug vor, dass künftig jeder Ruheständler ein Jahr im Bereich der sozialen Dienste leisten soll. Die Website Imowell.de berichtet unter Berufung auf Tagesschau
Laut Fratzscher könne die Bundeswehr von den fachlichen Kenntnissen vieler älterer Menschen profitieren, insbesondere von jenen, die bereits militärische Ausbildung durchlaufen haben. „Warum sollten wir dieses Potenzial nicht nutzen?“, fragte der Ökonom. Gleichzeitig kritisierte er, dass die aktuelle Diskussion über eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht fast ausschließlich auf die junge Generation ziele. Diese sei jedoch bereits durch steigende Sozialabgaben und die Folgen des Klimawandels erheblich belastet. „Wir brauchen mehr Solidarität zwischen Jung und Alt“, erklärte er.
Fratzscher äußerte zudem deutliche Kritik am Verhalten der älteren Generation. Er warf ihr „Ignoranz, Egoismus und Naivität“ vor. Deutschland habe nach dem Ende des Kalten Krieges zu lange die Realität verdrängt und geglaubt, auf eine dauerhafte Verteidigungsbereitschaft verzichten zu können. „Wir haben die Friedensdividende verspielt und müssen nun über Verteidigungsausgaben von fünf Prozent reden, um die Versäumnisse der letzten 35 Jahre auszugleichen“, sagte er. Ähnliche Fehler seien auch in der Klimapolitik gemacht worden: Jahrzehntelang habe man die Warnungen ignoriert, obwohl die Risiken bekannt gewesen seien.
Ein weiterer Kritikpunkt des DIW-Präsidenten betrifft die demografische Entwicklung. In den 1960er-Jahren hätten sechs Beitragszahler einen Rentner finanziert, so Fratzscher. Bald würden es nur noch zwei sein. Deshalb könne es nicht allein Aufgabe der jungen Generation sein, die Entscheidungen der Babyboomer zu tragen. „Seit zwanzig Jahren weigern sich viele Ältere, Verantwortung für ihre eigenen politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen zu übernehmen“, erklärte er.
Der Ökonom verwies dabei auf die Notwendigkeit, die Lasten gerecht zu verteilen. Die Belastung der jungen Generation müsse tragbar bleiben. Unterstützung erhielt Fratzscher von dem Soziologen und Generationenforscher Klaus Hurrelmann, der bereits vor einigen Wochen ein verpflichtendes soziales Engagement am Ende des Erwerbslebens gefordert hatte. Aufgaben wie die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit müssten nach Ansicht beider Experten von allen Generationen gleichermaßen getragen werden.