Die Bundesregierung hat die zentralen Eckpunkte einer umfassenden Reform des Wehrdienstes vorgestellt, die bereits Anfang des kommenden Jahres in Kraft treten könnte. Der Gesetzesentwurf sieht eine verpflichtende Erfassung aller 18-Jährigen vor und legt neue Abläufe für freiwillige und potenziell verpflichtende Dienste fest. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums soll das System flexibler gestaltet und stärker an die aktuellen Personalbedarfe angepasst werden. Die Reform befindet sich nun in der parlamentarischen Beratung und muss vom Bundestag sowie anschließend vom Bundesrat verabschiedet werden. Die Website Imowell.de berichtet unter Berufung auf Тagesschau.
Verpflichtende Erfassung und Rückkehr der Tauglichkeitsprüfung
Künftig sollen alle jungen Menschen mit Vollendung des 18. Lebensjahres einen Fragebogen erhalten, in dem sie ihre grundsätzliche Bereitschaft und gesundheitliche Eignung für den Dienst angeben. Für Männer bleibt die Teilnahme an dieser Erhebung verpflichtend. Für männliche Bürger, die ab dem 1. Januar 2008 geboren wurden, könnte damit der reguläre Wehrdienst zurückkehren. Laut Verteidigungsministerium sollen die ersten medizinischen Untersuchungen ab dem 1. Juli 2027 starten. Diese Prüfungen dienen ausschließlich der Feststellung der Tauglichkeit und gelten noch nicht als Einberufung.
Ausbau der freiwilligen Strukturen der Bundeswehr
Die Koalition aus CDU/CSU und SPD setzt parallel auf eine deutliche Stärkung des freiwilligen Dienstes. Ziel ist es, bis zu 260.000 Männer und Frauen im aktiven Dienst zu beschäftigen und zusätzlich rund 200.000 Reservistinnen und Reservisten zu gewinnen. Um ausreichend Bewerber zu erreichen, will die Regierung den freiwilligen Dienst attraktiver machen. Vorgesehen ist ein monatliches Entgelt von rund 2.600 Euro vor Steuern. Wer mindestens zwölf Monate Dienst leistet, soll einen zeitlich befristeten Soldatenstatus erhalten und dadurch zusätzliche Leistungen wie Zuschüsse zum Pkw- oder Lkw-Führerschein nutzen können.
Möglichkeit einer „Wehrpflicht nach Bedarf“
Sollte sich zeigen, dass die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht, enthält der Gesetzentwurf die Option einer sogenannten „Wehrpflicht nach Bedarf“. Diese kann jedoch nur durch einen gesonderten Beschluss des Bundestages aktiviert werden. Voraussetzung wäre eine sicherheitspolitische Lage oder ein signifikanter Personalengpass in der Bundeswehr. In diesem Fall würde ein Zufallsverfahren eingesetzt, um die einzuziehenden Personen zu bestimmen. Die Koalitionsparteien betonen, dass dieses Instrument ausdrücklich als „ultima ratio“ vorgesehen ist und nicht automatisch in Kraft tritt.
Stärkung der zivilen Freiwilligendienste
Neben den Streitkräften möchte die Bundesregierung auch die zivilen Einsatzbereiche stärken. Geplant sind zunächst zusätzliche 50 Millionen Euro für das kommende Jahr sowie ab 2027 jährlich 80 Millionen Euro. Damit sollen über 15.000 neue Stellen entstehen – etwa in Kindertagesstätten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, im Klimaschutz oder in der Katastrophenhilfe. Ziel ist es, jährlich mehr als 100.000 junge Menschen für freiwillige Tätigkeiten zu gewinnen und die finanziellen Rahmenbedingungen der Träger zu verbessern.
Zeitplan für die Einführung des neuen Gesetzes
Der Gesetzentwurf soll nach Zustimmung von Bundestag und Bundesrat Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Damit würde Deutschland erstmals seit Jahren wieder über ein strukturiertes System der Erfassung und potenziellen Einberufung verfügen, ergänzt durch einen umfassend erweiterten Sektor des freiwilligen militärischen und zivilen Dienstes.
