Der Deutsche Bundestag hat zentrale gesetzliche Anpassungen verabschiedet, die erstmals eine wirtschaftliche Nutzung des bidirektionalen Ladens ermöglichen. Mit der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und des Stromsteuergesetzes entfällt die bisherige doppelte Belastung für Strom, der aus der Fahrzeugbatterie ins Netz zurückgeführt wird. Zuvor galt rückgespeiste Energie als regulärer Stromverbrauch und war daher mit zusätzlichen Gebühren und Abgaben belegt. Künftig wird sie analog zu stationären Großspeichern behandelt und nur einmal mit Netzentgelten belastet. Die Website Imowell.de berichtet unter Berufung auf Нeise.
Politische Mehrheitsverhältnisse und wirtschaftliche Bedeutung
Der Gesetzentwurf wurde von CDU/CSU und SPD getragen, während AfD und Grüne dagegen stimmten und Die Linke sich enthielt. Nach Angaben des Wirtschaftsausschusses schafft die Neuregelung erstmals verlässliche Rahmenbedingungen für Betreiber von Speichern und damit auch für Halter von Elektrofahrzeugen. Mit der Befreiung von zusätzlichen Stromkosten kann künftig ein wirtschaftlicher Anteil der rückgespeisten Energiemengen erbracht werden. Dies soll flexible Speicherkapazitäten mobilisieren, die für den Ausgleich volatiler erneuerbarer Energien notwendig sind.
Großes Speicherpotenzial im Fahrzeugbestand
Der Energiespeicheranbieter The Mobility House sieht in der Reform einen entscheidenden Schritt zur Nutzung bislang unerschlossener Kapazitäten. Elektroautos könnten als dezentrale Speicher kurzfristig überschüssige Energie aufnehmen und bedarfsgerecht wieder ins Netz einspeisen. Das Unternehmen beziffert das mögliche Speicherpotenzial bei einer Netzanbindung von 20 bis 30 Prozent der mehr als 1,65 Millionen zugelassenen Elektrofahrzeuge auf rund 3,3 bis 5 GWh. Diese Kapazität entspricht der Flexibilität eines konventionellen Kraftwerks mit einer Leistung von 1,0 bis 1,5 Gigawatt.
Zeitplan für Netzentgeltregelungen und technische Vorgaben
Die Entlastungen bei den Netzentgelten treten am 1. Januar 2026 in Kraft. Ab dem 1. April folgen neue Vorgaben der Bundesnetzagentur zur Bilanzierung von Speicher- und Lastprofilen (MiSpeL), die technische und regulatorische Abläufe der Rückspeisung vereinfachen sollen. Marktteilnehmer rechnen mit einer Implementierungsphase von sechs bis zwölf Monaten, bevor die Technologie breiter eingesetzt werden kann. Für eine vollständige Marktfähigkeit sei zudem eine beschleunigte Einführung intelligenter Messsysteme erforderlich.
Branchenverband fordert Erweiterungen der Regelungen
Markus Bollig, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA), bezeichnet die Reform als wichtigen Schritt zur Integration des bidirektionalen Ladens in das Energiesystem. Er begrüßt die Befreiung ausgewählter Anwendungsfälle von der Stromsteuer, kritisiert jedoch die Begrenzung auf Nutzer mit eigenen Photovoltaikanlagen. Der Finanzausschuss hatte eine weitergehende Anpassung des Stromsteuerrechts empfohlen, um Vehicle-to-Grid umfassender zu ermöglichen. Nach Angaben des VDA sind alle deutschen Hersteller inzwischen mit bidirektionalen Fahrzeugen am Markt vertreten und benötigen einfache, verlässliche Mess- und Abrechnungsmodelle.
Weitere Maßnahmen zur Netzmodernisierung
Die Abgeordneten haben im Rahmen der Reform auch Regelungen zum Energy Sharing und zu Netzanschlüssen in das EnWG aufgenommen. Ziel ist es, Verbraucher stärker am Markt zu beteiligen und Energiekooperationen — darunter Bürgerenergieprojekte — zu erleichtern. Zudem soll das Messstellenbetriebsgesetz überarbeitet werden, um die Einführung intelligenter Zähler zu beschleunigen. Der Bundestag fordert in seiner Entschließung strengere Sanktionen für Messstellenbetreiber, die ihren Pflichten nicht nachkommen, sowie verbindliche Maßnahmen für schnellere Umsetzungen.
