Das fast zweiwöchige Ausbleiben von Sergej Lawrow in der Öffentlichkeit hat eine Welle von Spekulationen in Moskau ausgelöst. Der russische Außenminister, seit über zwanzig Jahren einer von Wladimir Putins engsten Vertrauten, ist plötzlich von der politischen Bühne verschwunden. Zuletzt wurde er Ende Juni im Kreml bei einem Treffen mit dem iranischen Außenminister gesehen. Seitdem herrscht Schweigen – ein Umstand, der Spekulationen über einen Vertrauensverlust beim Präsidenten entfacht hat. Die Website Imowell.de berichtet unter Berufung auf Тagesschau.
Verbirgt der Kreml eine Entlassung oder eine interne Krise?
Laut Quellen in Moskau erwägt Putin angeblich, Lawrow zu ersetzen. Offizielle Stellungnahmen erschienen erst, als seine Abwesenheit selbst auf der Sitzung des Sicherheitsrates, bei der er anwesend sein sollte, auffiel. Eine anonyme Quelle bei der Zeitung Kommersant erklärte, die Abwesenheit sei „geplant“ gewesen – überzeugend war die Begründung jedoch nicht.
Auffällig ist, dass Putin zum anstehenden G20-Gipfel in Südafrika nicht Lawrow, sondern seinen Berater Maxim Oreschkin entsendet. Für viele Beobachter ist das ein deutliches Zeichen: Das Vertrauen in den langjährigen Außenminister scheint zu schwinden.
Die Ursachen der Spannung: ein gescheitertes Gespräch mit Washington
Nach Angaben der Moscow Times war Putin über Lawrows gescheiterten Versuch verärgert, ein Treffen mit Donald Trump in Budapest zu organisieren. Nach einem schwierigen Telefonat mit US-Außenminister Marco Rubio wurde das Treffen abgesagt. Seither soll der Präsident auf Distanz zu seinem Chefdiplomaten gegangen sein, der bisher als wichtigste Verbindungsperson zu westlichen Regierungen galt.
Gleichzeitig bemüht sich der Kreml, einen offenen Konflikt zu vermeiden. Pressesprecher Dmitri Peskow erklärte offiziell, Lawrow „bleibt Außenminister“, doch die Fakten sprechen für sich: Sein politisches Gewicht hat merklich abgenommen.
Außenpolitischer Hintergrund: wachsende Spannungen zwischen den USA und Russland
Die von Washington verhängten Sanktionen gegen „Rosneft“ und „Lukoil“ nach der abgesagten Begegnung haben die Nervosität im Kreml zusätzlich verstärkt. Donald Trump, der ursprünglich eine Annäherung anstrebte, übt nun Druck auf Moskau aus und fordert einen Waffenstillstand in der Ukraine – für Putin ein unakzeptabler Schritt, der seine Verhandlungsposition schwächen würde.
Auch die Frage der Lieferung amerikanischer „Tomahawk“-Raketen an Kiew bleibt offen. Zwar zögert Washington noch, doch jede Kursänderung Trumps könnte für den Kreml schwerwiegende Folgen haben.
Putins Umfeld sucht weiter die Gunst Trumps
Trotz der neuen Sanktionen bemühen sich russische Spitzenbeamte weiterhin, dem amerikanischen Präsidenten zu schmeicheln. Staatsnahe Medien zitieren Trumps Aussagen regelmäßig, und Putin selbst lobt ihn wiederholt für seine „pragmatische Politik“. Beobachter sehen darin den Versuch, zumindest den Anschein eines Dialogs zu wahren, während reale Kontakte weitgehend eingefroren sind.
Schlüsselfiguren wie Nikolai Patruschew und Kirill Dmitrijew preisen öffentlich Trumps „Pragmatismus“ und kritisieren die frühere Regierung unter Joe Biden. Diese Rhetorik wirkt wie ein letzter Versuch des Kremls, irgendeinen gemeinsamen Nenner mit Washington zu finden – trotz wachsender internationaler Isolation.
Lawrows Rückkehr – per Interview
Am Sonntag veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti überraschend ein schriftliches Interview mit Lawrow – sein erstes seit Wochen. Darin sprach er von „Schwierigkeiten“ in den Beziehungen zu den USA und beschuldigte Kiew, Brüssel und London, „Washington in den Krieg hineinzuziehen“. Er betonte, er sehe „Bereitschaft zum Dialog“ auf amerikanischer Seite, räumte jedoch ein, dass dieser „nicht so schnell voranschreite, wie er es sich wünsche“.
Analysten interpretieren dieses Interview als Versuch, Lawrows politische Präsenz zu demonstrieren. Doch seine mediale Schattenrolle zeigt: Im Kreml zeichnen sich tiefgreifende Veränderungen ab – und sie könnten ihn sein Amt kosten.
